Slow down it’s Fiji Time! Wie die fidschianische Genügsamkeit einen in den Wahnsinn treibt, aber uns zugleich wichtige Lebenslektionen und natürliche Achtsamkeit lehrt, die wir vergessen zu haben scheinen.
Nachdem ich fast vier Wochen im hauptsächlich schnellen und verrückten Grossstadtleben in Japan hinter mir hatte, landete ich also auf Fidschi. Fidschi ist ein Inselparadies im Südpazifik und das nächste Festland liegt mit Neuseeland über 3 Flugstunden entfernt. Wir befinden uns hier also wirklich auf einem ziemlich abgeschiedenen Fleck Erde, von Deutschland aus das andere Ende der Welt. Die ersten Stunden nach dem hektischen und verregneten Tokio zurück am Strand taten einfach nur gut. Aber spätestens ab dem Moment, in dem ich mein Volunteering Kindergarten-Projekt nahe der Hauptstadt Suva antrat, fing ich an zu merken, in was für einem Kontrast ich hier gelandet war.
Die Uhren ticken hier einfach anders. Alles ist langsam. Der Service, die Fortbewegungsmittel, das Internet. Mein erster Tag im Projekt hat mich beinahe an meine Grenzen getrieben, zwischen allen Aktionspunkten lagen gefühlt Stunden, die ich im Nirgendwo mit Nichtstun füllen musste. Im Kindergarten das selbe Spiel. Die Lehrerinnen sitzen gemütlich herum und lassen die Kids gewähren. Die Vorbereitungen für den nächsten Tag empfinde ich als ineffizient: 70 Papageien per Hand vorzeichnen, damit die Kinder sie am nächsten Tag ausmalen können. Kopierer sind zu teuer oder zu weit weg. Die Busse in die Stadt kommen oder kommen nicht, je nachdem ob der Busfahrer heute mal Lust hat. Ich wollte meine Wäsche in einen Waschsalon bringen, weil ich Handwäsche und tagelanges Trocknen bei 99 Prozent Luftfeuchtigkeit als sehr unpraktisch empfand. Niemand der ca. 10 einheimischen Koordinatoren im Haus konnte mir wirklich sagen, wo ich eine Wäscherei finde. Es hat aber auch niemanden wirklich interessiert, das mal zu recherchieren. Bei immerhin 30 Volunteers im Haus, die alle das gleiche Problem haben und dauernd danach fragen. Der Wasserhahn tropft. Auch 2 Wochen später noch. Wenn man es erwähnt bekommt man ein Schulterzucken, ein lachendes „Fiji Time“ und wenn man Glück hat, geht er irgendwann wieder.
Soweit so gut. Als Grossstädter aus einem westlichen Land muss man ziemlich oft ziemlich tief durchatmen. Aber – und das ist meine Erkenntnis aus 6 Wochen auf Fidschi – „Fiji Time“ ist eine Lebensart. Es ist die Kunst langsam zu machen. Sich mal zu entspannen und die Dinge, Dinge sein zu lassen. Die gefühlt immer zu knappe Zeit und das daraus resultierendes Effizienzdenken nicht so wichtig zu nehmen, sondern einfach im Hier und Jetzt zu leben. Mit den Mitteln, die man eben hat. Das zu machen, was nötig ist um ein gutes Leben ohne Hunger zu leben, aber nicht sehr viel mehr.
Die eigene Zeit vor allem in der Gemeinschaft und mit der Familie zu verbringen. Ohne schnelles Internet und Fernsehen zu leben. Statt dessen mit dem ganzen Dorf Kuchen zu essen und Tee zu trinken und alle Fremden, die vorbei kommen dazu einladen. Abends stundenlang bei Kava zusammenzusitzen (Kava ist der Alkohol der Fidschianer, ein Getränk was aus der Kava Wurzel gewonnen wird. Es wird in geselliger Runde mit festen Ritualen, meistens über mehrere Stunden, zubereitet und getrunken.). Krabbenrennen zu organisieren. Fischen zu gehen. Schmuck selber herzustellen. Ganz viel gemeinsam zu singen. Das traditionelle Essen langwierig und liebevoll vorzubereiten und mit der ganzen Grossfamilie gemeinsam stundenlang zu essen.
„Fiji Time“. Sie ist bei uns in diesem Maße nicht denkbar und umsetzbar und ich gebe zu, ich freue mich auf Highspeed Internet und das Wissen, dass Dinge schnell erledigt werden. Aber es ist trotzdem unglaublich schön zu sehen, dass unsere Getriebenheit und der Stress, den wir zu Hause haben im Grunde selbst gewählt sind. Von uns und von unserer Effizienz-und-Konsum-Gesellschaft. Dass es Menschen auf dieser Welt gibt, die glücklich und zufrieden ohne Hunger und Not leben ohne diesen ganzen irren Wahnsinn, den wir glauben zu brauchen. Um noch besser, toller, schneller oder reicher zu werden und am Ende einsam und ausgebrannt zu sterben.
Das Glück ist ganz einfach. Slow down. Fiji Time. Mach mal langsam und genieße das hier und jetzt mit deinen Freunden und deiner Familie. Oder mit der Beschäftigung, die du am liebsten machst. Du brauchst keine Millionen zum glücklich sein. Das neudeutsche Wort „Achtsamkeit“ braucht ein Fijianer nicht, er lebt es ganz einfach jeden Tag. Ohne dafür hunderte von Euro in einem Coaching auszugeben oder vorher einen Burnout gehabt zu haben. Achtsamkeit auf Fidschiansch eben.
Deshalb: Ein bisschen mehr Fiji Time für alle, das sollte unser Motto werden ♥